Glaubensimpuls zum Monatsspruch Juni

Glaubensimpuls zum Monatsspruch Juni

Glaubensimpuls zum Monatsspruch Juni

# Glaubensimpuls

Glaubensimpuls zum Monatsspruch Juni

Wer im Hochsommer die Riesenrutsche im Sommerbad am Humboldthain nutzen möchte, muss sich anstellen und geduldig warten. Schritt für Schritt geht es dann voran auf der schmalen Betontreppe, bis die Rutschenöffnung schließlich in Sichtweite kommt. An diesem Punkt bekam der Kleine vor uns plötzlich Muffensausen. Eben noch Feuer und Flamme, erklärte er seinem Papa, dass er eigentlich doch gar nicht so unbedingt rutschen wollte und dass das alles ohnehin gar keine so gute Idee gewesen sei. Angst vor der eigenen Courage, die kann auch Erwachsene befallen. Davon erzählt die Episode aus der Geschichte vom Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, aus der der Spruch für den Monat Juni stammt. „Fürchtet euch nicht!“, heißt es dort, denn genau das tun die Israeliten in der Geschichte. Sie sind schon so weit gekommen, haben Jahre der Knechtschaft hinter sich, haben miterlebt, wie Mose mit Gottes Hilfe versuchte beim Pharao für sie gute Worte einzulegen – und haben nun endlich die Flucht nach vorne angetreten. Haben sich aufgemacht Richtung Freiheit. Doch plötzlich dieses scheinbar unlösbare Problem: Vor ihnen das Schilfmeer, hinter ihnen die auf Rache sinnenden Truppen des Pharao. Und ganz ähnlich wie der Kleine auf der Rutsche fangen auch sie das Lamentieren an. „Haben wir’s dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen?“, rufen sie Mose zu, dem sie kurz vorher noch freudig nachgefolgt sind. Mitten im Aufbruch der aufkeimende Zweifel: War das wirklich die richtige Entscheidung? Solche „Second Thoughts“, wie sie im Englischen heißen, gehören offenbar schon lange zum Repertoire menschlicher Reaktionen auf Umbruchssituationen. Wenn die Unsicherheit hochkommt, ob der Weg, den man eingeschlagen hat, auch der richtige ist. Wenn das Nachdenken über die Veränderungen einsetzt, in denen man sich befindet. Sehr passend, finde ich! Zum einen, weil jetzt im Sommer eine Zeit vor uns liegt, die für mich immer die Verheißung in sich trägt, mal rauszukommen aus dem üblichen Trott, Kopf und Herz zu lüften und nachzudenken. Zum anderen habe ich den Eindruck, dass viele gar nicht mehr so richtig hinterherkommen mit all den Veränderungen. Weder mit den persönlichen noch mit den gesellschaftlichen. So viele kleine und große Aufbrüche, die gemeistert werden wollen: Der Übergang von der Kita in die Schule oder vom Berufsleben in den Ruhestand, die neuen Lebensumstände nach einer Trennung, der Jobwechsel oder der Auszug aus den vertrauten vier Wänden ins Pflegeheim… Tausend kleine und große Schwellen, die überschritten werden wollen – und vor denen man dann doch auch mal Muffensausen bekommen kann. Genau in diese Momente hinein sprechen die Worte des Mose: „Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und schaut zu, wie der HERR euch heute rettet!“ Stehen bleiben und zuschauen, das fällt si cher nicht nur mir schwer. Und doch erkenne ich die tiefe Weisheit, die dahintersteht. Das Eingeständnis, dass wir uns zwar mit allen möglichen Mitteln auf Veränderungen vor bereiten können; der Moment der Verände rung selbst aber, der bleibt uns entzogen. Da hilft alles Rödeln und Werkeln nichts, da ist Abwarten angesagt, den Dingen Zeit geben und Gott machen lassen. Das gilt für persönliche Übergänge ebenso wie für manches, was auf struktureller Ebene im Schwange ist. Manch eine:n aus der Gemeindeleitung mag in diesen Tagen etwa die Angst vor der eigenen Courage mit Blick auf unsere Fusion beschleichen. Andere sorgen sich bestimmt, wie es weitergehen soll, wenn Günter Krause nicht mehr da ist (sondern seinen wohlverdienten Ruhestand genießt). Was es auch sein mag, worüber Sie sich den Kopf zerbrechen, lassen Sie es sich gesagt sein: Sie sind damit nicht alleine! Gemeinsam sind wir unterwegs, wie schon das Volk Israel auf seinem Weg in die Freiheit. Und uns allen gilt diese Ermutigung: Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und schaut zu, wie der HERR euch heute rettet! Ach so, der Kleine hat sich übrigens doch noch getraut – und war danach fester Bestandteil der Warteschlange an der Riesenrutsche. 

In diesem Sinne: Einen schönen Sommer!

Ihre Pfarrerin Johanna Hestermann
Evangelische Kirchengemeinde Versöhnung

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