Laßt die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen – Impuls zum Monatsspruch Februar

Laßt die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen – Impuls zum Monatsspruch Februar

Laßt die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen – Impuls zum Monatsspruch Februar

# Glaubensimpuls

Laßt die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen – Impuls zum Monatsspruch Februar

Zürnt ihr, so sündigt nicht; laßt die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Eph 4,26 

Stimmungsfragen sind wichtig. Das ist in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Politik und auch in der Kirche nicht anders. Zorn und Angst zum Beispiel entfalten eine mächtige Dynamik in unserem Seelenleben. Jeder ist gut beraten, der darauf Rücksicht nimmt. Verdrängen ist keine Lösung, diese Lektion haben ja viele inzwischen gelernt. Doch was passiert, wenn sie außer Kontrolle geraten? Auf der Straße, in den Redaktionsstuben, in den sozialen Netzwerken, in Politik und Verwaltung, auf dem Schulhof? Ich erlebe jede Woche Kinder, die es schwer haben damit. Und auch Erwachsene wissen oft an dieser Stelle nicht weiter. Woran liegt das? Was ist geschehen, daß so viele die Selbstbeherrschung verlieren? Nicht mehr anders als von Zorn erfüllt miteinander reden können? Sich mehr von ihren Ängsten leiten lassen als von Erkenntnissen? 

Für die Griechen waren die Stimmungen der Menschen Werke der Götter. Deren Rivalitäten bildeten den Hintergrund des Weltgeschehens. Die von ihnen ausgelösten Stimmungen sind tendenziell unbeherrschbar. Schon am Anfang, im Eingangsvers der griechischen Sage, erscheint der Zorn, als unheimlichste aller menschlichen Stimmungen, fatal und feierlich zugleich: Besinge, o Göttin, den Zorn des Achill! [1] Täusche ich mich, wenn ich sage: Diese Zeile wäre als Bibelvers undenkbar? Schon gar nicht am Anfang? 

Das Christentum hat jahrtausendelang empfohlen, seine Affekte möglichst zu beherrschen. Die biblischen Kernbotschaften lauten: Fürchtet euch nicht! Laßt die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen! Luther würde heute vielleicht übersetzen: Lasst Eure Facebook-Nachricht einen Tag liegen, lest sie euch dann noch einmal durch, bevor ihr auf „Senden“ drückt. Der Gott von Christen und Juden läßt seinem Zorn eben keinen freien Lauf. Er empört sich zwar über die Bosheit des Menschen, dem der Anstieg des Meeresspiegels egal ist – solange, bis es die ersten Toten gibt. Aber er sorgt zugleich dafür, daß Mensch und Tier in einer Arche, d.h. einem Ensemble zukunftsfester Ideen, nicht untergehen und eine neue Welt aufbauen können. 

Gott sei Dank ist es inzwischen für uns unvorstellbar, einen Gott zu verehren, der sich nicht beherrschen kann. Und das bedeutet: Auch seine Gläubigen können sich nicht entschuldigen, wenn sie im Affekt etwas tun, was nicht gut ist. Alle großen Glaubenseiferer in der Bibel, angefangen von Abraham, Mose und Elia bis hin zu Petrus und Paulus erleben in der Bibel ihr Waterloo. Täusche ich mich, wenn ich denke, daß der Kontrollverlust über die Affekte in unseren Gesellschaften etwas mit der nachlassenden Bindekraft des Glaubens der Bergpredigt zu tun hat? Kommen in den „postchristlichen Landschaften“ sozusagen „prächristliche Prägungen“ wieder zum Vorschein? 

Wie können wir es schaffen, unsere Überzeugungskonflikte auch in der Familie, im Freundeskreis und in der Gemeinde gewaltfrei auszutragen? Ich habe mir vorgenommen, in diesem Jahr Geschichten zu sammeln, die davon erzählen, wie Menschen der Wut und der Angst etwas entgegensetzen, wie sie ihnen begegnen, ohne sich von ihnen beherrschen zu lassen. Ich möchte am Ende dieses Jahres einen Geschichtenkalender haben, voller Bilder und Texte, die uns zeigen, wie wir herausfinden aus dem Labyrinth, den Auf- und Abwärts-Spiralen von Hass, aus den Blasen von schlimmen Ahnungen, Ängsten und Befürchtungen. Ich träume von einem neuen abendländischen Epos, das beginnt mit dem Vers des Paulus: Laßt euch nicht von eurer Stimmung zu etwas verleiten, was Gott erzürnen könnte weil es nicht gut ist für euch selbst und für uns alle. Helfen Sie mit? Erzählen Sie diese Geschichten mir und Ihren Familien und Bekannten weiter? Sammeln Sie gute Erfahrungen für diesen Kalender und teilen Sie diese mit mir? Ich würde mich sehr freuen, wenn wir vielleicht in der Passionszeit bis zum Osterfest jeden Tag ein Türchen mit solchen Geschichten öffnen könnten als wäre es ein Adventskalender. 

Bleiben Sie behütet und gesund! 

Hagen Kühne (Pfarrer in der Ev. Kirchengemeinde Blankenburg)

[1] Sehr anregend dazu: P.Sloterdijk: Zorn und Zeit, Frankfurt 2006

Link zum Gemeindebrief

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