Neujahrsgruß

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# Glaubensimpuls

Neujahrsgruß

Willkommensein 

Herzlich willkommen, – liebe Leserin, lieber Leser – im neuen Jahr! Willkommen sein – das ist nichts Nebensächliches, sondern von entscheidender Wichtigkeit für unser Leben. Wenn ich an einem Ort oder bei jemandem herzlich willkommen bin, dann kann sich das anfühlen wie eine warme Dusche nach einem eiskalten Regenguss, wie ein reich gedeckter Tisch nach einem anstrengenden Wandertag, wie ein weiches Bett nach einem Urlaub auf der Luftmatratze. Willkommensein – das ist Labsal – für Leib und Seele. 

Mit der Jahreslosung für 2022 aus dem Johannesevangelium will uns Jesus willkommen heißen. 

Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.‘ 

„Willkommen!“ sagt er, „Schön, dass Du da bist!“ 

Jesus hält seine Tür für mich offen und freut sich, wenn ich komme. Und er hält sie tatsächlich für alle Menschen offen. Es ist allerdings die Entscheidung eines jeden Menschen, ob er auch kommt und hingeht. 

Abgewiesen sein 

Willkommen zu sein, ist aber alles andere als selbstverständlich. Jede und jeder hat wohl schon einmal erfahren, wie es ist, unerwünscht zu sein, abgewiesen zu werden, nicht dazu zu gehören. Vielleicht, weil man irgendwelche Bedingungen nicht erfüllen konnte. Früher in der Schule, beim Sportunterricht, wenn man – als nicht besonders sportlich angesehen – bis zuletzt sitzen blieb bei der Mannschaftswahl. Oder bei der Clique, die so cool war und wir nicht die Markenklamotten hatten, die ‚in‘ waren.

Manche(r) hat in der Verwandtschaft erlebt, wie es ist, als ‚schwarzes Schaf‘ der Familie ausgegrenzt zu werden, weil man eigene Ansichten oder Lebensweisen hat. Oder: alle aus der Klasse, alle Kollegen sind zum Geburtstag eingeladen, nur wir nicht. Abgewiesen zu werden, hinterlässt ein schmerzliches Gefühl: Ich gehöre nicht dazu. Ich bin nicht gut genug. Mit mir stimmt etwas nicht. Ich bin nicht richtig. 

Abgewiesen werden – das begegnet uns heute im politisch globalen Umfeld, vor allem im Zusammenhang mit Flüchtlingen. Menschen werden abgewiesen an den Grenzen. Wir haben die verstörenden Bilder an der Grenze zwischen Polen und Belarus vor Augen. Eine humanitäre Katastrophe für tausende Männer, Frauen und Kinder, die der belarussische Diktator Lukaschenko ganz gezielt herbeigeführt hat. Eingesperrt zwischen zwei Staaten, ohne jeden legalen Zugang zu Asylverfahren, hingen diese Menschen fest. Alle Türen zu. Kein Durchkommen! Abweisung! Keine Hoffnung! – und das bedeutet: Elend, Hunger und sogar Tod! Über 80 Millionen Flüchtlinge bewegen sich in den Ländern unserer fünf Kontinente, die alle ankommen und nicht abgewiesen werden wollen! 

Leben oder Tod? 

Kurz vor Weihnachten kam aus Indien die Meldung, dass ein Neugeborenes in einem Feld gefunden wurde. Seine Mutter hatte das kleine Mädchen dort nach der Geburt bei einem Dorf im Nordosten des Landes abgelegt. Sie konnte ihr Kind nicht willkommen heißen. Offenbar sah sie sich in einer so schweren Notlage, dass sie ihr Kind abwies und es damit dem sicheren Tod auslieferte. Wie durch ein Wunder überlebte die Kleine aber. Angenommen wurde das hilflose Wesen von einer streunenden Hündin, die erkannte, dass das Menschenkind Hilfe brauchte. Sie hatte ganz in der Nähe selbst einen Wurf Junge zur Welt gebracht. Sie trug ein kleines Hündchen nach dem anderen in das Feld, wo sie ihr neues Lager errichtete. So konnten sich alle gegenseitig wärmen – die Welpen, das Baby und die Hundemutter. Am nächsten Morgen wurde das Baby dann gefunden und ins Krankenhaus gebracht.

Abgewiesen – oder aufgenommen werden kann entscheiden zwischen Leben und Tod. Die Weihnachtsgeschichte erzählt uns davon, dass die hoch-schwangere Maria in ihrer Not nicht willkommen war. ‚Kein Raum in der Herberge‘. Ein Satz, der für uns vielleicht einfach mit dazu gehört, hinter dem sich aber eine grausame Realität verbirgt. Eine heutige Realität! 

Avindahar, die Kurdin aus dem Nordirak, irrte tagelang mit ihrem Mann und den 5 Kindern hochschwanger ohne Essen durch die Wälder an jener osteuropäischen Außengrenze. Unterkühlt und bewusstlos wurde sie von Helfern einer polnischen Hilfsorganisation gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Dort verlor sie ihr Baby und starb schließlich selbst. Eine Geschichte, die man sich so kaum ausdenken kann und die so traurig ist, dass sie niemand in einem Krippenspiel sehen möchte: Kein Raum in der Herberge. 

Jesus öffnet die Tür zum Leben – für alle 

In diese grausame Welt, ihrer Weigerung, menschlich zu sein, das Leben zu schützen, wird der Gottessohn hineingeboren. Die Erfahrung, abgewiesen zu werden, wurde ihm in die Wiege gelegt. Das war Gottes Plan. Mit dieser Grunderfahrung im Gepäck zeigt er dann später uns Menschen, wie man anderen die Tür öffnet. 

Willkommen!‘, sagt Jesus zu dem korrupten Zöllner Zachäus. ‚Auch du bist ein Kind Gottes. ‘‘Willkommen‘, sagt Jesus zu denen, die wegen einer Krankheit – psychisch oder physisch – ausgeschlossen waren aus der Gesellschaft. ‚Willkommen!‘, sagt er denen, die Gott noch gar nicht kannten, die zweifelten und stritten, die nicht glauben konnten, dass Gott für sie da ist und mit ihnen geht, deren Herzen verschlossen waren und Gottes Gegenwart nicht wahrhaben wollten. 

„Willkommen! Ich bin für Dich da, ich suche mit Dir nach dem wahren Leben.‘ – das sagt er heute zu Dir und zu mir, so wie wir sind, was auch immer wir mitbringen, wo auch immer wir gerade stehen und wie nah oder fern wir uns im Blick auf Jesus fühlen. „Willkommen! Schön, dass Du da bist!“ Das ist unendlich befreiend, willkommen und angenommen zu sein, ohne Angst vor Abweisung leben zu dürfen. Das befreit uns auch, hier im Leben das Richtige zu sagen und zu tun, ohne Angst um uns selbst, mit der Freude dieser Zusage Christi umzugehen. Denn in ihr steckt auch eine Aufgabe an uns, weil Jesus das allen Menschen zusagt. So muss ich mich selbst fragen: 

Wo ist die Tür, die mir aufgemacht wird, damit ich mich zu Hause fühle? Wem mache ich aber die Türe vor der Nase zu? Woher weiß ich, dass in dieser fremden Gestalt vor mir nicht eventuell Jesus mit seiner Einladung steht? Weise ich ihn unerkannt ab? 

Schwere Fragen sind das, die uns dieses neue Jahr über beschäftigen sollen und die eine Herausforderung für unseren Alltag sind. Vielleicht fühlen wir uns auch überfordert und denken: Was kann ich schon tun gegen eine abweisende Welt, die andere in den Tod stürzt? 

Denken wir aber an die vielen Lichtblicke, die es inmitten der Finsternis auch gibt: An die Hilfsorganisationen, die oft zwischen allen politischen Entscheidungen still das ihre tun, um Leid zu mildern. An die Polinnen und Polen, die keine Angst davor haben, in den Wäldern die gestrandeten Menschen aufzusuchen. An die Frauen und Männer, die in den Flüchtlingslagern dieser Welt Hilfe leisten, an die vielen, die unbeirrt Gelder sammeln zur Linderung der Not und die Menschen, die vor Ort, in der Nachbarschaft, auf ihre Art etwas dazu beitragen, dass Türen der Menschlichkeit geöffnet werden. 

Und: Machen wir die Sehnsucht groß, dass es dazu kommt, dass schon auf dieser Welt jeder Mensch willkommen ist! 

Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen ein gesegnetes Jahr 2022, 

Ihre Judith Brock (Pfarrerin in der Ev. Nazareth-Kirchengemeinde)

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