02/07/2024 0 Kommentare
Glaubensimpuls zum Erntedank
Glaubensimpuls zum Erntedank
# Glaubensimpuls
Glaubensimpuls zum Erntedank
An einem dieser Tage stand das Leben tonnenschwer vor meiner Haustür. Ich hatte kaum aufgeschlossen, da lud es mir schon einen Rucksack voller Steine auf den Rücken. Es hatte wohl über Nacht Zeit gehabt zu sammeln. Die Fahrt zur Arbeit gestaltete sich mühsam. Dort angekommen fragte es mich zu allem Überfluss: „Sag mal, wofür bist du heute dankbar?“ „Was für eine undankbare Frage, Leben,“ stöhnte ich, während ich versuchte, den schweren Rucksack auf dem Schreibtisch meiner Kollegin abzusetzen. „Bevor ich darüber nachdenken kann, muss ich die Steine loswerden. Sie sind kantig. Unangenehm zu tragen. Und…“ „Weiß ich doch alles,“ unterbrach mich das Leben. Inzwischen hatte es sich im lauschigen Ohrensessel gemütlich gemacht.
„Lass dir mal eine Geschichte erzählen: Es war einmal ein Bauer, der steckte jeden Morgen eine Handvoll Bohnen in seine linke Hosentasche. Immer, wenn er während des Tages etwas erlebte, wofür er dankbar war –, nahm er eine Bohne aus der linken Hosentasche und gab sie in die Rechte. Am Anfang kam das nicht häufig vor. Aber von Tag zu Tag wurden es mehr Bohnen, die von der linken in die rechte Hosentasche wanderten. Kleinigkeiten. Wie der Duft des Morgens. Bevor er am Abend zu Bett ging, betrachtete er die Bohnen in seiner rechten Hosentasche. Jede war verbunden mit einer dankbaren Erinnerung. So konnte der Bauer mit der Zeit jeden Abend in Frieden die Augen zur Nacht schließen. Auch wenn er nur eine einzige Bohne in der rechten Hosentasche gefunden hatte.“
Ende September feiern wir Erntedank. Ein Fest, das sich dem Danksagen widmet. In den Kirchen werden Erntegaben zusammengetragen, die erinnern, wie reich Gott beschenkt. Großes und Kleines. Sichtbares und Verborgenes. An einem so schönen Fest fällt das Danksagen leicht. An manch anderen Tagen ist das schwerer. Der Bauer in der Geschichte hat für sich eine Übung und einen Rhythmus gefunden, um in eine dankbare Grundhaltung zu kommen. Das schärfte mit der Zeit seinen Blick. Und sein Herz. So ist es ihm gelungen, jeden Abend sein eigenes kleines (Ernte)Dankfest feiern zu können.
„Also sag mal,“ fragte mich das Leben erneut. „Wofür bist du heute dankbar?“ „An diesem Morgen jemanden zum Reden zu haben,“ sagte ich. Mit diesen Worten schulterte ich den Rucksack und lud das Leben spontan zu einem Spaziergang durch den Park ein.
Tina Rupprecht (Kreisjugendpfarrerin)
Kommentare