02/07/2024 0 Kommentare
Glaubensimpuls zum Monatsspruch September
Glaubensimpuls zum Monatsspruch September
# Glaubensimpuls
Glaubensimpuls zum Monatsspruch September
Liebe Gemeinde,
in den Tagen, in denen ich diesen Beitrag zum Monatsspruch für September schreibe, kreisen meine Gedanken noch immer um den Verlust unserer alten, historisch bedeutungsvollen und in diesem Wert unersetzbaren Glocke, die auf dem Pfarrhof stand. Wieder und wieder beschäftigt mich die Frage, welche Menschen einen solchen Diebstahl begangen haben. Die Wahrscheinlichkeiten sind uns bekannt: Mitglieder einer Diebesbande, vernetzt und organisiert, Kriminelle auf der Suche nach Objekten, die sich zu Geld machen lassen. Gut möglich, dass es Menschen waren, die in keiner Weise darüber nachgedacht haben, was sie da stehlen und ob das Gestohlene für andere eine tiefere Bedeutung hat, die über den reinen Sachwert hinausgeht, eine ideelle und emotionale Bedeutung. Waren die Täter also gedankenlos und respektlos gegenüber den Wertvorstellungen anderer? Und wenn es so ist – an diesem Punkt kommen meine Gedanken stets zum Stehen –, welche Wertvorstellungen mögen sie selbst in ihrem Leben haben?
Ohne Wertvorstellungen zu leben ist unmöglich. Sie können materiell und oberflächlich sein, auf das Individuum oder die Gemeinschaft bezogen, sie können ausgrenzend sein oder offen, mehr den persönlichen Genuss betonend oder Pflicht und Verantwortung in den Vordergrund stellen. Über Werte geraten wir immer wieder in Diskussion, im engeren Familienkreis ebenso wie gesellschaftlich. Das kann auch nicht anders sein, da sich das Leben stets verändert und weiterentwickelt und wir uns mit ihm. Also ja, auch die Diebe unserer Glocke werden ihre Wertvorstellungen haben und nach ihnen gehandelt haben. Es sind nur völlig andere Wertvorstellungen als unsere, und dies ist uns zum Schaden geworden.
Wenn wir nach Werten des christlichen Glaubens fragen, dann ist es notwendig, dass wir nach Jesus fragen: nach seiner Person, seinem Leben, seinem Vorbild, seiner Lehre. Im Monatsspruch für September ist es Jesus selbst, der von seinen Jüngern wissen will, wie sie ihn sehen. Er beginnt das Gespräch, indem er fragt, was
„die Leute“ von ihm halten (so zuvor in Vers 13). Die Jünger geben wieder, was sie gehört haben: dass Jesus als Elia, als Johannes der Täufer, als einer der Propheten bezeichnet wird. Dann fragt Jesus weiter und will es auch von den Jüngern selbst wissen: Was denkt denn ihr? Wie versteht ihr mich? Bis heute ist dies die entscheidende Frage: Wie sehen und wie verstehen wir Jesus? Aus unserem Verständnis erwachsen Folgen und Konsequenzen: für den Glauben und für unser Leben in der Welt. Sie betreffen unsere Wertvorstellungen, und sie beeinflussen unser Handeln.
Wann und wo nehmen wir uns die Zeit dafür? Ich wünschte mir sehr, dass wir viel öfter die Gelegenheit zu solchen Gesprächen fänden, innerhalb der Kirche mit anderen Christinnen und Christen, aber ebenso mit Menschen anderer Religionen oder keiner Religion. Nichts ist besser geeignet für Respekt und ein friedvolles Miteinander, als dass wir uns gegenseitig erzählen, was unseren Glauben ausmacht und woher unsere Werte kommen. Nicht ist besser geeignet für ein Miteinander in Ehrlichkeit und gegenseitiger Achtung, nichts ist ein besserer Schutz vor Gewalt und Übergriffigkeit gegen das, was anderen wertvoll ist.
Viel mehr sollten wir von Jesus Christus erzählen, der im Zentrum unseres Glaubens steht. Viel mehr sollten wir die Frage in uns bewegen, die Jesus gestellt hat: Wer bin ich für euch? Wir müssen kein Petrus sein, der aus der Tiefe seines Herzens mit einem Bekenntnis antwortet: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.“ Auf die Suche sollten wir uns machen nach dem, wie wir es heute für uns sagen können; nach Ausdrucksmöglichkeiten unseres Glaubens, unserer Erfahrungen mit Gott, unserer Fragen und Zweifel suchen – und unser Bild von Jesus beschreiben und mit den Beschreibungen anderer ins Gespräch bringen. Wer ist Jesus für uns, dieser Mensch, der Kranke geheilt hat, Hungrige gespeist, Einsame zurückgeholt, der von der Liebe Gottes zu allen Menschen gesprochen hat und dessen Weg ans Kreuz uns die göttliche Liebe neu hat sehen lassen? Von unserem Glauben sprechen heißt, von Jesus zu sprechen.
Eine Spätsommer- und Herbstzeit in friedlichem und fruchtbarem Miteinander wünscht allen,
Anne-Kathrin Finke
(Pfarrerin in der Ev. Kirchengemeinde Berlin Heinersdorf | Stellvertretende Superintendentin des Kirchenkreis)
Kommentare